MEINE TANZGESCHICHTE
Oft werde ich gefragt, wie und warum ich vor ca. 30 Jahren mit dem Tanzen angefangen habe. Und warum ich mich nie auf einen Stil spezialisiert habe. Was genau mich dazu bringt tage- und nächtelang durchzutanzen, manchmal fast ohne Schlaf, und meinen Körper immer wieder an die Grenze zu bringen. Es macht süchtig. Weil es magisch sein kann.
WiE ES ANFiNG
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Es ist so ein Klischee, aber es ist wahr. Als ich 11 Jahre alt war, kam „Dirty Dancing“ in die Kinos. In diesem Alter bin ich noch nicht wirklich oft ins Kino gegangen. Meine Eltern waren sehr streng mit dem Medienkonsum und so fand ein Kino Besuch nur etwa einmal im Jahr statt. Dieser Film lief länger als ein Jahr im Kino und etwa ein Jahr nach der Premiere erzählte mir meine beste Freundin davon. Sie war total beeindruckt davon und kaufte auch gleich den Soundtrack. Ich hörte mir die Musik Kassette an und fand die Musik ist ganz nett, aber ein bisschen altmodisch. Natürlich war die Musik altmodisch, denn der Film spielt ja in den 1960er Jahren. Nachdem mir eine Freundin immer und immer wieder von der lustigen „Wassermelonen Szene“ erzählt hatte und vorschwärmte, wie toll das Tanzen im Film ist, wurde ich neugierig und überredete meine Eltern schließlich, mir zu erlauben, den Film anzuschauen. Meine Freundin kam mit und sah ihn glaube ich zum 3.Mal.
Was soll ich sagen… er hat ins Schwarze getroffen. Die ganze Geschichte, Patrick Swayzes Rückenmuskeln, das Tanzen,… und im Kontext der Geschichte fand auch die „altmodische“ Musik ihren Weg in mein Herz. Im Alter von ungefähr 13 Jahren saß ich im Kino und dachte nur wie wunderbar sich das anfühlen muss mit einer anderen Person so harmonisch zu tanzen. Lass mich das nochmal genau erklären: es war nicht nur, dass ich vom Tanzen beeindruckt war. Ich habe sofort gefühlt, dass das was für mich ist. Ich wollte mich genau so frei fühlen, wollte die gleiche Bewegungsharmonie zur Musik mit jemandem erleben. Ich wusste, ich kann das auch.
Meine Freundin und ich haben angefangen in unserem Dachboden zu tanzen und als die Video Kassette mit dem Film erhältlich war, haben wir die Kassette vorwärts und rückwärts abgespielt und die Original Choreographie des letzten Tanzes Schritt für Schritt gelernt. Inklusive Hebefigur! Ich war damals kleiner als meine Freundin und so war ich „Baby“ und sie „Johnny“.
ERSTER TANZUNTERRiCHT
Ungefähr zur gleichen Zeit hatten wir eine Sportlehrerin an unserer Schule, die Jazzdance Unterricht gab. Zusammen mit einem Musiklehrer brachte sie sogar ganze Musicals auf die Schulbühne. Ich meldete mich für Jazzdance an und fand es toll. Nach meinem Anfängerunterricht blieb ich noch um den Fortgeschrittenen zuzuschauen. Im ersten Musical, bei dem ich mitmachte, hat mich die Lehrerin sogar für einen Solopart ausgewählt! Als einzige der Anfängergruppe! Und sie gab mir die Musik und bat mich, mir schonmal passende Bewegungen zu überlegen- meine erste Choreographie. Es war nur ganz kurz und hauptsächlich laufen und drehen im Charakter der Rolle, die ich hatte, aber ich war so stolz. Auf der Bühne war ich unfassbar nervös und habe am ganzen Körper gezittert, aber ich fand es toll. Danach wurde ich in die fortgeschrittene Gruppe eingeladen und nach einer Weile hat mich die Lehrerin sogar in die Erstellung von ein paar Choreographiestücken für das nächste Musical eingebunden.
Rückblickend bin ich so unglaublich dankbar, dass sie meine Leidenschaft damals schon gesehen und gefördert hat!
PAARTANZ
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Trotzdem war es Solotanz. Und ich wollte doch so gerne auch Paartanz ausprobieren. Also habe ich auch den Rock`n Roll Unterricht versucht, der von der Schule angeboten wurde. Nachdem ich die Grundschritte drauf hatte, war ich bei den älteren Jungs ein beliebtes Opfer um Hebefiguren und die Akrobatik zu üben, weil ich so ein Leichtgewicht war. Einmal lies mich ein Partner fallen und ich habe mir wirklich weh getan, als ich gegen die Ecke einer Turnbank fiel. Ich hatte ein tiefes Loch in meinem Schienbein, von dem man noch heute die Narbe sehen kann. Und ich wurde ein wenig ängstlich. Außerdem merkte ich, dass Rock`n Roll vermutlich nicht mein Weg ist, um die Harmonie des Paartanzens zu fühlen.
Ich wurde „neutral“ erzogen, und der Sport, den meine Eltern für mich aussuchten war Leichtathletik. Ich lernte Hochsprung, Weitsprung, 100m Sprint und sogar Kugelstoßen. Und ich hatte Spaß daran. Nur die 800m Disziplin und die Trainingseinheiten am Samstagmorgen waren nichts für mich. Ich habe sogar an Wettkämpfen teilgenommen und viele Medaillen und Pokale gewonnen. Meine Eltern haben nie im Entferntesten daran gedacht, mich in eine Ballett Schule zu stecken, weil sie nicht das typische Mädchen aus mir machen wollten. Im Sommerurlaub habe ich Fußball mit meinem Vater gespielt. Und dann habe ich meine Eltern gebeten, einen Paartanzkurs für mich zu finden. Genau zu dem Zeitpunkt, als ich zur Vorbereitung für die deutsche Leichtathletikmeisterschaft eingeladen wurde. Sie zuckten ein wenig zusammen, aber nachdem sie selbst einen Tanzkurs besuchten und sich sogar beim Tanzen kennengelernt hatten, versuchten sie es. Aber damals akzeptierte die Tanzschule bei uns am Ort nur Jugendliche ab 16 Jahren für die klassischen Paartanzkurse mit Abschlussball und allem was dazu gehört. Ich war erst 15 und wurde abgelehnt. Also landete ich in der Jugendgruppe eines Tanzsportvereins mit einem Klassenkameraden, den ich überzeugt hatte mitzumachen.
ERSTE TURNiERE
Nach ein paar Monaten fand am Ende des Kurses ein kleines, internes Turnier statt. Mein Partner hat im letzten Moment einen Rückzieher gemacht, aber ich habe schnell einen neuen gefunden und war darüber sehr froh. Wir wurden sehr gute Freunde und es hat Spaß gemacht mit ihm zu tanzen. In den Standardtänzen haben wir sogar den ersten Platz belegt. Davon schien der Standardtrainer beeindruckt zu sein und lud uns zum Training der Turnierpaare ein, die sich für die Bayerische Meisterschaft ein paar Monate später vorbereiteten. Während dieser Zeit habe ich so viel gelernt und bekam eine kleine Idee davon, wie Tanzen sich anfühlen kann.
Das Einzige, das ich überhaupt nicht mochte, war die Sache mit den aufwändigen Kleidern und der Schminke. Ich hatte das Gefühl, dass ich gar nicht mehr ich selbst wäre, wenn ich wie eine Puppe zurecht gemacht bin. Mit 17 Jahren war ich doch eher ein Jeans und T-Shirt Mädchen und an Mode und Styling nicht sonderlich interessiert. Vor allem im Vergleich zu den Wettkampfoutfits in der Leichtathletik kam es mir doch sehr unnatürlich und lächerlich vor, diese teuren Kleider zu tragen und mein Gesicht mit jeder Menge Make-up zur Unkenntlichkeit zu schminken. Noch dazu wo es beim Tanzen doch um Ausdruck geht… Ich hatte heftig mit meinem Trainer diskutiert, habe geweint und gekämpft. Aber am Ende musste ich einsehen, dass es nun mal Teil des Tanzsports ist und gab nach. Es war eine schwere Zeit, denn ich musste mich auch zwischen Leichtathletik und Tanzen entscheiden. Tanzen ist ein teurer Sport und meine Eltern wollten sicher gehen, dass ich das auch wirklich will, bevor sie bereit waren für ein teures Kleid und Privatstunden zu bezahlen.
Doch schließlich waren all diese Herausforderungen gemeistert und ich nahm mit meinem wunderbaren Partner an den Bayerischen Meisterschaften teil. Wir wurden 7. von mehr als 50 Paaren. Ich war mit dem Ergebnis ein bisschen unzufrieden, weil ich wusste, dass wir es besser können und machte Pläne mehr zu trainieren. Leider hatte mein Partner gesundheitliche Probleme. Gleich nach unserem ersten Turnier teilte er mir mit, dass er aufhören muss, weil er ernste Probleme mit dem Rücken und den Knien hat. Er wollte mich nicht schon vor unserem ersten Turnier im Stich lassen und nahm starke Schmerzmittel um die Trainingseinheiten und das Turnier zu überstehen. Und er hat mir kein Wort gesagt! Er wollte wenigstens einmal mit mir „schweben“, wie er es nannte. Und er wollte mich nicht enttäuschen. Das war so lieb von ihm. Ich schämte mich, weil ich so aufs Training fokussiert war, dass ich nicht mal gemerkt hatte, was er durchmacht. Und ich war unendlich traurig, denn ich wusste, dass ich keinen besseren Freund und Tanzpartner finden würde!
Nach einiger Zeit fand mein Trainer einen neuen Tanzpartner für mich. Es war nicht das gleiche, denn wir waren sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, aber wir konnten gut zusammenarbeiten. Meistens jedenfalls. Er war schon in einer höheren Klasse und ich habe die Herausforderung, schnell zu lernen und aufzuholen, akzeptiert. Wir waren sehr erfolgreich, aber es war eben nicht das gleiche. Dennoch hat das viele Neue meinen Wunsch nach einem Partner, mit dem ich „schweben“ konnte, erstmal in den Hintergrund gedrängt. Wir haben gut zusammen getanzt, konnten aber nie diese tiefe Verbindung herstellen. Ich wollte auch immer Latein ausprobieren, was er aber kategorisch ablehnte. Er war auch nicht der Typ dafür.
WiE iCH TANZLEHRERiN WURDE
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Wir haben ungefähr 3 Jahre zusammen getanzt und ich hatte gerade Abitur gemacht, als mir eine große Tanzschule in München einen Ausbildungsplatz anbot. Ich habe angenommen. Eigentlich hatte ich nie den Wunsch zu unterrichten, aber ich sah meine Chance mehr zu lernen, vor allem auch Latein.
Auf einem Tanzlehrerkongress hatte ich dann das Glück eines meiner Tanzidole zu treffen. Per Zufall haben wir in einer Lecture zusammen getanzt und es schien ihm gefallen zu haben. Mir hat es sehr gefallen. Aber immer, wenn er mit mir getanzt hat, war ich sehr nervös und hab am ganzen Körper gezittert, aus Angst nicht gut genug zu sein und Fehler zu machen. Aber er hat mich immer und immer wieder gefragt und mit den Jahren wurde ich entspannter. Sogar wenn wir uns jetzt treffen, tanzen wir gerne zusammen und sind Freunde geworden. Ich bin sehr dankbar ihn getroffen zu haben, denn er war einer meiner wichtigsten Mentoren als Lehrer und als Tänzer. Er hat es geschafft, mir das Gefühl des „Schwebens“ zurückzubringen.
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Während meiner Ausbildungszeit habe ich noch eine Weile weiter mit meinem Tanzpartner zusammen getanzt, aber dann hat er geheiratet und seine Frau wollte, dass er aufhört. Ich war sehr traurig und enttäuscht, dass er mich zu einem Zeitpunkt im Stich ließ, als uns nur noch 3 Punkte fehlten um in die höchste Amateurklasse aufzusteigen.
Für ein paar Wochen versuchte ich es mit einem neuen Tanzpartner. Wir wurden Freunde und konnten gut zusammen tanzen, aber unsere unterschiedlichen Arbeitszeiten machten es sehr kompliziert, so dass wir uns einigten mit den Turnieren aufzuhören. Stattdessen hat er angefangen mit mir in einer neuen Tanzschule zu unterrichten und wir probierten Tango Argentino zusammen aus, choreographierten Shows für uns und unsere Tanzschüler und hatten einfach Spaß am Tanzen. Ein gutes Gefühl nur zum Spaß zu tanzen! Nicht als Beruf und nicht als Wettbewerb- nur zum Spaß!
ANDERE TANZSTiLE
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Ungefähr zur gleichen Zeit entdeckte ich nicht nur Tango Argentino und Salsa, sondern auch Videoclip Dancing. Ja, es war die Zeit von den Backstreet Boys, Britney Spears und Co. Ich hatte unglaublich viel Spaß diese Choreos zu lernen und zu unterrichten.
Ich war Trainerin von einer wunderbaren und einzigartigen Gruppe von Mädels, die sogar den deutschen und den Europameistertitel holten! Es war eine tolle Zeit und ich ging ganz darin auf diese Gruppe zu unterrichten und mit ihnen durch Europa zu reisen. Was mir an diesen Wettbewerben gefiel war, dass die meisten Teilnehmer normale Klamotten trugen: Sporthose und Top. Keine aufwändigen Frisuren, die mit Tonnen von Haarspray hart wie Ziegelsteine waren, sondern einfach ein Baseball Cap. Und kein extremes Make-up, wie ich es von den anderen Turnieren kannte.
Aber das tollste an dieser Zeit ist, dass ich mit einigen von den Mädels immer noch in Kontakt bin und sich eine tiefe Freundschaft entwickelt hat. Es war so eine besondere Gruppe! Mit ihnen konnte ich die Harmonie und Zusammengehörigkeit fühlen, die ich immer im Paartanz gesucht hatte. Obwohl sie alle viel jünger waren als ich, haben sie mir beigebracht, dass auch Menschen mit total unterschiedlichen Persönlichkeiten zu einem Team verschmelzen können, wenn sie sich für den Tanz und die Musik komplett öffnen. Dass es sogar im Solotanz möglich ist, sich gegenseitig zu fühlen und im Tanz und in der Musik eins zu werden, auch ohne sich zu berühren.
Auch wegen meines damaligen Partners, der ein unglaublich guter HipHop Tänzer und Lehrer war, zog es mich mehr und mehr zum Hip Hop. Wir haben ganze Nächte im Tanzsaal verbracht, ich habe seine Bewegungsabläufe genau studiert und ihn Löcher in den Bauch gefragt. Das hat nochmal ein ganz neues Feld von Musik- und Bewegungserfahrung für mich eröffnet und mich gelehrt, wie der natürliche Bewegungsfluss funktioniert. Und ich fand es toll, dass ich unabhängig von einem Tanzpartner tanzen und die Musik in meinem Körper fühlen konnte.
Mein Fokus lag damals auf dem Solotanz und die einzige Zeit, die ich mich mit dem Paartanz beschäftigte, war wenn ich in der Tanzschule unterrichtete, die mein Freund und ich eröffneten. Dennoch hat die Liebe zum Paartanz nie aufgehört.
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LiEBE AUF DEN ERSTEN BLiCK
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Die Zeit verging und ich verbrachte die Jahre damit sowohl Solotanz als auch Paartanz zu unterrichten. Zuerst in der Tanzschule meines Freundes und dann, nachdem wir uns trennten, selbständig in verschiedenen Regionen Deutschlands. Jedes Jahr besuchte ich Tanzfestivals um meinen Hunger nach Neuem zu stillen. Und 2013, auf dem Euro Dance Festival, Europas größten Tanzfestival, entdeckte ich West Coast Swing. Ich habe sofort gespürt, dass das etwas für mich ist! Ich fühlte, dass dieser Tanz meinen Wunsch erfüllen würde, mich mit dem Partner zu verbinden und sich in der Musik zu verlieren! Aus Zeitgründen dauerte es ein weiteres Jahr bis ich wirklich damit anfing und Stunden nahm, aber es war definitiv Liebe auf den ersten Blick. Ich hatte Glück und traf gleich zu Beginn wieder einen fantastischen Lehrer und Mentor, der das Tanzfeuer, das in mir brennt sofort sah und mich gefördert hat.
Was soll ich sagen? Es ist wahr. Dieser Tanz bietet alles, nachdem ich schon so lange gesucht habe. Die anderen Stile tanze ich auch immer noch gerne, aber WCS ist mein Favorit. Manche Tänze sind besser als andere, aber manche sind pure Magie und ich fühle mich frei!